Ursachen für Netzhautablösung
Fundierte Ursachen
Zu den wissenschaftlich belegten und häufigen Ursachen einer Netzhautablösung zählen:
- Akute hintere Glaskörperabhebung – bei 10–15 % der Betroffenen entstehen Netzhautlöcher (Foramina). Tritt zusätzlich eine Einblutung auf, betrifft dies bis zu 70 % der Patienten.
- Zug von Bindegewebs- oder Narbensträngen – führt zu einer traktionsbedingten Netzhautablösung.
- Tumorerkrankungen und entzündliche Prozesse im Bereich von Aderhaut und Netzhaut – können eine exsudative Netzhautablösung verursachen.
- Myopie (Kurzsichtigkeit) – erhöht das Risiko deutlich durch den verlängerten Augapfel:
– –1 bis –3 dpt: Risiko 4‑fach erhöht
– –3 bis –6 dpt: Risiko 10‑fach erhöht
– ab –15 dpt: Risiko 100‑fach erhöht - Frühgeborenenretinopathie.
- Vorliegen einer Schisis amotio.
- Genetische Faktoren – familiäre Veranlagung.
- Unfall oder Verletzung des Auges – Achtung: Traumata führen immer zu PVR‑Reaktionen des Auges!
- Diabetes mellitus.
- Netzhautschädigung beim Embryo durch toxische Substanzen.
- Marfan‑Syndrom (www.marfan.de).
- Katarakt‑Operationen:
– Standard‑OP: Risiko 4‑fach erhöht
– Mit Kapselruptur: Risiko 10–40‑fach erhöht
– Nachstar‑Laserbehandlung (YAG): Risiko 4‑fach erhöht (meist 6 Monate später). - Netzhautablösung am Partnerauge: Risiko 100‑fach erhöht.
- PVR – proliferative Vitreoretinopathie: tritt bei 5–10 % aller Netzhautpatienten auf.
Weitere mögliche Ursachen und Risikofaktoren
Flugreisen
Es gibt Berichte über Patienten, die nach oder während einer Flugreise eine Netzhautablösung erlitten haben. Die genauen Ursachen sind nicht bekannt, möglicherweise führt eine minimale Kontraktion des Glaskörpers zu Einblutungen oder Zugwirkungen. Ein erhöhtes Risiko besteht bei unbehandelten Netzhautlöchern oder kurz nach einer Netzhautoperation. Patient:innen mit Gastamponade dürfen erst fliegen, wenn das Gas vollständig resorbiert ist.
Weitere Informationen:
– fit-for-travel.de – Augenerkrankungen: https://www.fit-for-travel.de/risikogruppe/augenerkrankungen/
– gesundes-reisen.eu – Artikel zu Augenerkrankungen: http://www.gesundes-reisen.eu/view_artikel_details.php?contentType=3&themaID=113
Psychischer Stress
Psychischer Stress gilt als möglicher begünstigender Faktor. Durch die Ausschüttung von Cortisol kann sich die Durchblutung und Durchlässigkeit der Aderhaut verändern. Viele Betroffene berichten, dass sie in den Wochen vor ihrer Netzhautablösung unter starker seelischer oder beruflicher Belastung standen. Quelle: Der Standard – „Wenn der Stress ins Auge geht“: https://derstandard.at/1381374084822/Wenn-der-Stress-ins-Auge-geht
Antibiotikatherapie
Bestimmte Antibiotika, insbesondere Fluorchinolone wie Fluocinolon oder Ciprofloxacin, können das Risiko einer Netzhautablösung um das bis zu Fünffache erhöhen. Quelle: Ärzteblatt – „Netzhautablösung durch Fluorchinolon‑Antibiotika“: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/49753/Netzhautabloesung-durch-Fluorochinolon-Antibiotika
Computerarbeit und visuelle Belastung
Längere Bildschirmarbeit, vor allem mit Grafik‑ oder Zeichenprogrammen, beansprucht die Netzhaut stark. Durch das ständige Fokussieren („Zoomen“) entsteht eine dauerhafte Spannung der Augenmuskulatur, die unter Umständen Zugkräfte auf die Netzhaut begünstigen kann. Auch schwaches Bindegewebe kann diesen Effekt verstärken.
Schwangerschaft und Geburt
Frauen mit starker Myopie sollten vor einer Entbindung augenärztlichen Rat einholen. Nach aktueller Studienlage besteht zwar kein grundsätzlich erhöhtes Risiko durch die Geburt selbst, doch bei bestehender Netzhauterkrankung ist Vorsicht geboten. Mehr Informationen: Geburtshilfe Halle – Augenerkrankungen in der Schwangerschaft: http://geburtshilfe-halle.de/vor-der-geburt/probleme-risikoschwangerschaft/augenerkrankungen/
Pränatale Einflüsse und Netzhautentwicklung
In der frühen Embryonalentwicklung entsteht die Netzhaut bereits ab der 4.–5. Schwangerschaftswoche.
In dieser sensiblen Phase reagieren die Zellen besonders empfindlich auf chemische, toxische oder physikalische Einflüsse.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass verschiedene Substanzen – etwa Lösungsmittel, Schwermetalle, organische Dämpfe oder bestimmte Medikamente – die Entwicklung der Netzhaut beeinträchtigen können.
Solche Stoffe können zu Fehlbildungen oder strukturellen Schwächen im Bereich der Gefäße und Sinneszellen führen,
ohne dass dies unmittelbar nach der Geburt erkennbar wäre.
In späteren Lebensjahren können diese feinen Veränderungen eine erhöhte Anfälligkeit für Netzhauterkrankungen oder Ablösungen begünstigen.
Da der Arbeitsschutz für Schwangere in den 1960er- und 1970er-Jahren noch kaum geregelt war,
könnte es in Einzelfällen zu unbeabsichtigten Belastungen gekommen sein – etwa durch den Kontakt mit Labor- oder Industriechemikalien.
Solche Einflüsse sind heute deutlich seltener, werden in der Forschung aber weiterhin beobachtet und ernst genommen
Quellen:
DFG und NIH – Studien zu pränatalen Chemikalienbelastungen und Augenentwicklung (2018–2023);
Ophthalmic Research (2021); Toxicology Letters (2022); Environmental Health Perspectives (2020).
Körperliche Belastung
Schweres Heben und starke Erschütterungen sollten nach einer Netzhautablösung dauerhaft vermieden werden. Siehe auch: Onmeda – Netzhautablösung: https://www.onmeda.de/krankheiten/netzhautabloesung.html
Ganzheitliche Betrachtung
Nicht alle Ursachen einer Netzhautablösung sind erforscht oder medizinisch erklärbar. Die klassische Augenheilkunde konzentriert sich auf die operative Versorgung und Stabilisierung des Auges, doch immer mehr Menschen erleben, dass Körper und Psyche untrennbar miteinander verbunden sind.
Unsere Selbsthilfegruppe hat sich das Ziel gesetzt, weitere Ursachen und Zusammenhänge zu erforschen und zu dokumentieren. Dazu gibt es einen eigenen Fragebogen, um individuelle Erfahrungen und mögliche Auslöser besser zu verstehen. Download Fragebogen.
Ich persönlich glaube, dass oft ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren beteiligt ist – eine Kombination aus körperlichen, seelischen und äußeren Einflüssen, die letztlich zur Ablösung führen kann.
Aktuelle Erkenntnisse und Einflussfaktoren
Neben den bekannten, fundierten Ursachen gibt es zunehmend neue Erkenntnisse darüber, welche Faktoren das Risiko einer Netzhautablösung zusätzlich beeinflussen können. Diese Aspekte sind nicht immer klar belegt, werden aber in der aktuellen Forschung und klinischen Beobachtung häufiger diskutiert.
Alterungsprozesse und vitreomakuläre Veränderungen
Mit zunehmendem Alter verändert sich die Struktur des Glaskörpers. Kommt es zu unvollständigen Ablösungen oder Zugwirkungen (vitreomakuläre Traktionen), können kleine Risse an der Netzhaut entstehen. Diese Form betrifft vor allem Menschen über 60 Jahre, insbesondere bei bestehender Kurzsichtigkeit oder nach Kataraktoperationen.
Bindegewebsschwäche und Kollagenstoffwechsel
Eine angeborene oder erworbene Schwäche des Bindegewebes (z. B. beim Ehlers-Danlos- oder Stickler-Syndrom) kann die Stabilität der Netzhaut beeinträchtigen. Solche seltenen Erkrankungen werden heute häufiger erkannt, wenn wiederholte Netzhautdefekte ohne offensichtliche Ursache auftreten.
Systemische Gefäßerkrankungen
Bluthochdruck, Arteriosklerose oder chronische Durchblutungsstörungen können die feinen Gefäße der Netzhaut schwächen und so indirekt Risse begünstigen. Auch in Kombination mit Diabetes mellitus oder Gefäßverschlüssen kann dies eine Rolle spielen.
Hormonelle Einflüsse
Ein Östrogenmangel, etwa nach der Menopause, kann die Elastizität der Netzhaut beeinflussen. Das Gewebe verliert an Spannkraft, was bei Frauen über 55 Jahren zu einem leicht erhöhten Risiko beitragen kann.
Medikamentöse Faktoren
Neben bestimmten Antibiotika (Fluorchinolone) stehen inzwischen auch Kortikosteroide und Blutverdünner im Verdacht, die Struktur oder Durchblutung der Netzhaut zu verändern. Diese Zusammenhänge sind nicht bei allen Betroffenen relevant, sollten aber bei der Anamnese berücksichtigt werden.
Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen
Krankheiten wie Morbus Behçet, Sarkoidose oder multiple Sklerose können Entzündungen im Auge verursachen und die Blut-Netzhaut-Schranke schwächen. Dadurch steigt das Risiko exsudativer Ablösungen.
Augenoperationen und Injektionen
Auch wiederholte intravitreale Injektionen (z. B. Anti-VEGF-Therapien) können bei empfindlicher Netzhaut minimale Veränderungen des Glaskörpers verursachen. Das Risiko ist gering, aber dokumentiert und sollte bei häufigen Eingriffen mitbedacht werden.
Lebensstil und Bildschirmarbeit
Langes Arbeiten am Bildschirm, künstliches Licht und Bewegungsmangel belasten die Augen dauerhaft. Diese Faktoren können den Druckhaushalt und die Mikrozirkulation verändern, was sich langfristig auf die Stabilität der Netzhaut auswirken kann.
Oxidativer Stress und Mikronährstoffe
Freie Radikale und oxidativer Stress können die Netzhautzellen schädigen. Antioxidantien wie Lutein, Zeaxanthin, Zink und Vitamin C werden zunehmend als unterstützende Schutzfaktoren diskutiert. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Mikronährstoffversorgung gelten daher als hilfreiche Prävention für die Netzhautgesundheit.
Psychische und psychosomatische Aspekte
Viele Betroffene berichten, dass ihre Netzhautprobleme in Phasen hoher Belastung, Schlafmangel oder innerer Anspannung auftraten. Chronischer Stress beeinflusst den Hormonhaushalt, die Durchblutung und den Cortisolspiegel – alles Faktoren, die sich auch auf das Auge auswirken können. Diese Beobachtung unterstreicht, wie eng körperliche und seelische Prozesse miteinander verbunden sind.
Idiopathische (unbekannte) Ursache
In einigen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache für die Netzhautablösung feststellen.
Man spricht dann von einer idiopathischen Netzhautablösung.
Sie tritt häufig bei Menschen ohne erkennbare Risikofaktoren auf – ohne Myopie, Verletzung oder Operation.
Die genauen Auslöser sind bislang unklar, vermutet werden jedoch feinste Gewebeveränderungen oder spontane Zugwirkungen im Bereich des Glaskörpers.
Diese Form zeigt, dass auch bei gesunden Augen eine Ablösung möglich ist – und unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen.
Fazit
Die Entstehung einer Netzhautablösung ist meist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Neben den bekannten medizinischen Ursachen können auch allgemeine Gesundheitszustände, Lebensgewohnheiten und seelische Belastungen eine Rolle spielen. Ein achtsamer Umgang mit sich selbst, regelmäßige Kontrollen und das Bewusstsein für diese Zusammenhänge können helfen, Risiken früh zu erkennen und das Augenlicht bestmöglich zu schützen.
